Montag, 22. Juni 2009

Kultur ist der wichtigste evolutionäre Selektionsfaktor des Menschen

Derzeit behandelt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Nachfolge-Organisation der früheren Preußischen Akademie der Wissenschaften, einige Kernthemen dieses Wissenschaftsblogs "Studium generale" (BBAW-Jahresthema). Wir wiesen schon mehrfach darauf hin (Stud. gen. 1, 2, 3). Im April referierte einer der großen theoretischen Begründer der Soziobiologie und ein entschiedener Kritiker einer zu Israel-freundlichen Politik der USA (Stud. gen.), Robert Trivers.

Und am 20. Juli, 18 Uhr, wird der Berliner Theoretische Biologe Peter Hammerstein referieren. Außerdem der der Naturwissenschaft schon seit Jahren aufnahmebereit gegenüberstehende Soziologe Peter Weingart. Außerdem zwei weitere Referenten. Zu der Fragestellung "Wie viel Gesellschaft erklären die Biologen?" In der Ankündigung heißt es:
Seit mehr als hundert Jahren besteht ein Konflikt zwischen der Soziologie und der Biologie um die Deutungshoheit gesellschaftlicher Prozesse. Wechselseitige Ignoranz und ein Denken in den Gegensätzen „Natur“ und „Kultur“ behindern oftmals einen fruchtbaren Austausch.
Und:
Werden Institutionen wie Familie, Arbeitsteilung oder das Inzesttabu von der Umwelt oder durch Gene beeinflusst? Wie kann Sozialverhalten angesichts der Bedeutung von Kultur und der biologischen Natur des Menschen erklärt werden?
Beide genannten Referenten scheinen den vielerorts noch autistisch vor sich hinarbeitenden Soziologen, Geistes- und Kulturwissenschaftlern gegenüber noch zu mancherlei Zugeständnissen bereit zu sein. Peter Weingart:
... Anhand einiger Kritiken lässt sich zeigen, warum die Soziologie der Anwendung der Evolutionstheorie auf den sozialen Wandel kritisch gegenübersteht und es noch nicht zu der „Evolutionären Synthese“ gekommen ist, wie sie die Biologie erlebt hat.
Und Peter Hammerstein?:
... Während die Sozialität der Insekten mit mathematischen Modellen der genetischen Evolution erklärt werden kann, lässt sich das Prinzip nicht direkt auf den Menschen übertragen. Offenbar besitzt Kulturevolution eigene Gesetzmäßigkeiten, die sich von denen der genetischen Evolution wesentlich unterscheiden.
Abgesehen davon, daß auch bei den Insekten noch längst nicht alles klar ist (siehe etwa Stud. gen. 1 oder 2): Da scheint doch noch mit allerhand Samtpfoten um die traditionell abgesteckten Wissenschaftsgräben, um die abgesteckten "Claims" herumgeschlichen zu werden.

Daß die Evolution vom Tier zum Menschen ein fließender Übergangsprozeß gewesen ist, der sich über Jahrzehntausende hinweg erstreckte, ein Prozeß, der weder abrupt begann noch abrupt endete, daß auch die menschliche, genetische Evolution in den letzten Jahrtausenden und Jahrhunderten weitergegangen ist, trotz, nein, mit aller Kultur, daß Kultur selbst den wichtigsten Selektionsfaktor für die Genetik des Menschen heute bildet (nicht die natürliche Umwelt), daß es zwischen Genetik und Kultur einen komplexen Rückkoppelungs-Prozeß gibt, der immer konkreter erforscht werden kann, da von der Verhaltensgenetik des Menschen immer mehr bekannt wird, daß Demographien von Gesellschaften etwas mit Selektion und damit mit Evolution zu tun haben könnten - ob man an diesem Abend etwas über solche Dinge - und zwar möglichst konkret - hören wird?

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